Vom Stolpern

Der Künstler Gunter Demnig erinnert mit mittlerweile über 20.000 Stolpersteinen an Opfer des Nationalsozialismus. Am 2. September wurde bekannt, dass in Prenzlauer Berg zwei dieser verlegten Stolpersteine seit mindestens dem 4. August, also knapp einem Monat, fehlen. Wie das Fehlen solange unbemerkt bleiben konnte ist mir unklar; jedenfalls geht die Polizei von einem politischen Hintergrund aus.

Die dpa-Meldung zum Thema wurde im Wortlaut von Bild.de, Welt Online und leicht erweitert von der BZ wiedergegeben. Der Text selbst ist anscheinend mit ähnlicher journalistischer Sorgfalt entstanden und beginnt mit dem Satz: „Unbekannte haben am Dienstag zwei Stolpersteine in der Rietzestraße in Pankow entwendet.“

Noch interessanter interpretiert der rbb den Tatzeitpunkt. Er schreibt: „Unbekannte Täter haben […] zwei sogenannte Stolpersteine […] entwendet. Das Verschwinden der Steine […] war nach Angaben des Bezirksamtes Pankow bereits am 4. August entdeckt, aber erst am Dienstag dem Amt gemeldet worden.“ Diese Sätze übernimmt auch das NPD-Blog, anstatt zu prüfen und den bedenkenswerten Abstand zwischen Tat und Anzeige festzustellen und herauszuarbeiten.

Während bei dpa-Autoren und -Abschreibern noch von einem Lesefehler bzw. üblicher Faulheit ausgegangen werden muss, kann beim rbb niemand den Text wachen Auges am Stück gelesen haben. Für den Beitrag im NPD-Blog schließlich wurde nicht nur die Quelle nicht gelesen, sondern sogar ungelesene, geschweige denn geprüfte Sätze aus ihr heraus kopiert. Ein Armutszeugnis für das sich als kritisches Dokumentationsmedium verstehende Blog. Bereits am 31. Juli wurde das Fehlen von Stolpersteinen in Dessau festgestellt, auch dort wird von einem politischen Hintergrund ausgegangen. Auch auf dieses Ereignis weist das NPD-Blog in dem Zusammenhang nicht hin.

Der Bezirk Pankow, diesmal Blankenburg, machte auch dieses Wochenende mit vermutlich rechtsextremen Taten auf sich aufmerksam. Zuerst gab es nachts Schlägereien zwischen der Polizei und rund 100 betrunkenen Gästen des Feuerwehrfestes, später wurden „Parolen und Zeichen“ an Festaufbauten und einem Laden in der Umgebung entdeckt. Die BZ nennt die Zeichen mit Verweis auf die dpa (oder die dpa kopierend) „politisch“ und erwähnt, dass die Polizei nicht bestätigte, ob es sich um „rechtsextremistische Symbole“ handelte. Ich vermute einen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen und wage zu bezweifeln, dass sich Linksradikale oder FDP-Anhänger auf dem Blankenburger Feuerwehrfest besaufen und dann eindeutige strafbare Zeichen in der Umgebung anbringen. Sich vorzustellen, was für ein Ladengeschäft da zum Opfer wurde, braucht nicht viel Phantasie.

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