mspropen in public

Am Montag rief die »datenschutzkritische Spackeria« zum zweiten Mal zum »Open in Public Day« (oipd13) auf. Letztes Jahr wurde dazu aufgerufen, möglichst »peinliche« Photos zu veröffentlichen. Dieses Jahr sollten die Teilnehmer_innen einen Tag lang alle Viertelstunde ein Photo oder Video aufnehmen, und diese veröffentlichen. ihdl hat eine sehr gute Kritik zu der Veranstaltung selbst veröffentlicht.

Im Rahmes des oipd13 veröffentlichte @mspro einen Tweet mit dem Text »die @toxoplasmoese pennt noch. #oipd13« und einem Photo von ebenjener @toxoplasmoese, schlafend. Dieser Tweet wurde im folgenden auf Twitter aus feministischer Perspektive kritisiert. Gute Auseinandersetzungen mit diesem Tweet und der folgenden Diskussion gibt es von @sofakissen und @pfefferminz_ bei femgeeks.de. @mspro selbst reagierte und reflektierte ebenfalls in einem Blogpost.

mspro machte in Tweets und seinem Blogpost deutlich, dass er die Kritik für unangemessen hält: »Die Situation wurde einfach in eine sexistische Situation umgdeutet, ein Opfer herbeigeredet. Es steckt eine Menge normative Vorverurteilung in dieser Situation, viele unhinterfragte, vielleicht sexistische Vorannahmen: Frauen würden das ja nicht freiwillig tun, Typen sind so rücksichtslos ihre Freundin zu fotografieren, etc.« Was er dabei übersieht oder nicht wahrhaben will, ist, dass es eben nicht nur »Vorannahmen« oder »Vorverurteilungen« sind, sondern klare Realität (wie es bei femgeeks.de heißt): »Es ist nicht sonderlich weit her geholt, dass Informationen von Menschen (und insbesondere Frauen) gegen ihren Willen veröffentlicht werden«. Wer eine solche mutmaßliche Grenzüberschreitung veröffentlicht, ohne klarzustellen, dass es sich nicht um eine handelt, muss damit leben, dass einige eben erstmal von einer Grenzüberschreitung ausgehen. Und selbst wenn hinterher klargestellt wird, dass es einvernehmlich war, bleibt immer noch die unkritische Darstellung einer Grenzüberschreitung, die eben wieder zur Normalisierung dieser beiträgt, und »Vorannahmen« und »Vorverurteilungen« nährt. Ich sehe da deutliche Parallelen zum Beispiel zu einem Vorfall in einer ZDF-Sendung vor einiger Zeit.

Interessant finde ich den Vorfall allerdings nicht nur aus feministischer Sicht, sondern auch in Hinblick auf »Post Privacy« (ich schrieb zu dem Thema schon mal einiges). Es fällt auf, dass es sich keineswegs um einen Fall von besonderer Transparenz oder Offenheit oder gar um einen Kontrollverlust handelt, sondern vielmehr um bewusste und gesteuerte Selbstinszenierung: Zum einen war die Situation selbst gestellt (»Kurz nach dem Aufstehen fragte mich meine Freundin, ob ich sie nicht für den Open in Public Day fotografieren wolle. Sie stellte sich schlafend, ich machte das Foto und twitterte es.«), zum anderen wurde die zentrale Information, dass es sich um eine einvernehmliche Sache handelt, nicht mitgeliefert. Das steht im deutlichen Widerspruch zum Konzept des Tages, in dem es hieß: »Dabei geht es nicht darum, Situationen zu stellen, sondern die “Realität” abzubilden. Stellt Euch vor, Google Glasses würde einfach filmen.« Während letzteres noch irgendwie so klingt als könnte es dazu dienen, Kontrollverlust (Vielfach-)Privilegierter zu simulieren, ist das, was mspro daraus macht, eben gerade nicht Kontrollverlust. Umso auffälliger ist seine Reaktion in dem Moment, in dem er tatsächlich die Kontrolle verliert, oder gar nie innehatte, nämlich jene über die Deutung seiner Selbstinszenierung – eine ihm unliebsame Deutung, die er hätte verhindern können, wäre er in dieser Situation tatsächlich etwas mehr »open in public« gewesen.

Auffällig finde ich auch, dass die Offenheit in diesem Fall gar nicht in erster Linie mspro betrifft, sondern vielmehr @toxoplasmoese – ein Umstand, der allerdings im Konzept des diesjährigen oipd angelegt ist. Das (geforderte) ständige Veröffentlichen der eigenen Perspektive mag zwar auch Informationen über eine_n selbst preisgeben; in erster Linie wird aber eben die eigene Perspektive verstärkt, quasi das Subjektive des Subjekts, und das scheint mir bei den überwiegend privilegierten Teilnehmer_innen eher unnötig.

2 Antworten auf „mspropen in public“

  1. Inwiefern begründet sich für dich die Legitimität der Interpretation, es habe keinen Konsens für Fotografieren und/oder Veröffentlichung gegeben? Reicht es, dass keine Zustimmung deutlich gemacht wird oder ist es von besonderer Wichtigkeit, dass sie schlafend (und damit nicht zustimmungsfähig) aussieht?

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