Die Maßstäbe des politischen Gegners

Ein wichtiges Thema für Personen aus dem Netzpolitik-Umfeld ist zur Zeit das SWIFT-Abkommen. Dieses soll der US-amerikanischen Regierung Zugang zu Informationen über alle internationalen Überweisungen erlauben. Beim Argumentieren gegen dieses Abkommen begehen leider viele einen Fehler, der schon im Kampf gegen Netzsperren oft zu sehen war: die Maßstäbe des Gegners anlegen.

Netzsperren & Effektivität, …

Anfang dieses Jahres beschäftigte sich ein Großteil der politischen Internetgemeinde mit dem späteren „Gesetz zur Erschwerung des Zugangs zu kinderpornographischen Inhalten in Kommunikationsnetzen“. Häufig richtete sich die Kritik dabei gegen die geplante Umsetzung der Sperren auf der Ebene des DNS. Diese Sperren würden Unbeteiligte (Websites) in Mitleidenschaft ziehen und äußerst leicht zu umgehen sein, so die Kritiker. Die Ziele der eigentlichen Gegner wurden also als Grundlage genommen, um aufzuzeigen, dass ihre Wahl der Mittel für diese Ziele ungeeignet sei – ein Vorgehen, dass in einem ernsthaften Dialog möglicherweise eine höhere Wirkung erzielt, im Kern aber unzureichend ist.

Warum wurde dieses Argument dann so oft gebracht? Warum kritisierten viele anhand der Maßstäbe ihrer Gegner, anstatt ihre eigenen Konzepte dagegen zu setzen? Eine Erklärung ist, dass vielen eigene Konzepte fehlten. In meinem Artikel „Internetsperren – You‘re doing it wrong!“ habe ich durchgespielt, wie eine „gute“ Umsetzung von Internetsperren aussehen könnte. Im Zuge dessen habe ich Kritik an der Umsetzung als unzureichend verworfen und das Konzept des „Freiraum Internet“ skizziert – eine radikal-liberale Kritik an Internetsperren. Eine solche Kritik wollten aber nur wenige äußern. Somit blieb nur die Rolle der (unfreiwillig) konstruktiven Agitation übrig, die überwiegend von einer naiven Ungläubigkeit über die Verlogenheit und Oberflächlichkeit der agierenden Politiker getragen wurde. Fefe bemerkte dazu bereits im April treffend: „[dass die Filter nicht funktionieren] ist nicht nur ein schlechtes Argument, es ist aktiv kontraproduktiv.“

… Datenschutz & Standortnationalismus

In Bezug auf SWIFT scheint sich dieser Fehler zu wiederholen – die Maßstäbe der Gegenseite werden übernommen. Bisher ging es in den seltenen Fällen inhaltlicher Arbeit gegen das SWIFT-Abkommen um Datenschutz und Unschuldsvermutung, also traditionell bürgerrechtliche Themen. Zusätzlich wird die brisante Rolle der EU thematisiert. Peter Schaar weist an diesem Punkt bereits den Weg zu einem Nebenschauplatz, wenn er über die Entstehung des Abkommens sagt, sie sei „höchst intransparent“ und entspräche „nicht unserer demokratischen Rechtsordnung, die dem Parlament ein Mitspracherecht und eine öffentliche Diskussion garantiert“. Hier wird die Methodik, nicht das Ergebnis kritisiert. Netzpolitik.org berichtet später von „schmutzigen Tricks“ bei den Verhandlungen. Auch hier naive Kritik am Verfahren, nicht am Ergebnis.

Wirklich bedenklich ist jedoch ein Unterton, der eine Bedrohung „unserer“ Daten durch „die Amerikaner“ hervorhebt. Markus Beckedahl hofft bspw., „konservative Abgeordnete [im EU-Parlament]“ würden sich von der Gefahr US-amerikanischer „Wirtschaftsspionage“ überzeugen lassen. Der Bundesrat hatte dieses Argument vorbereitet. Die pragmatische Hoffnung auf dieses Argument ist nicht unangemessen; es sollte aber immer klar sein, dass die eigene Kritik eine gänzlich andere ist. Überwachung lässt sich nicht in gute (durch den eigenen Staat) und böse (durch einen anderen Staat) unterscheiden. Aus bürgerrechtlicher Sicht ist eine Überwachung durch einen Fremdstaat vermutlich sogar weniger problematisch als eine durch den eigenen.

4 Antworten auf „Die Maßstäbe des politischen Gegners“

  1. Es ist nicht allzu verwunderlich, dass allzuoft „die Maßstäbe des Gegners“ angelegt werden. Denn leider geht es auch meist um diesen. Die Sache um die es eigentlich gehen sollte ist dabei oft nur das Mittel zum Zweck. Darum wird sich mit ihr auch nicht wirklich beschäftigt. Mal ganz davon abgesehen, dass eine derartige Beschäftigung weit anstrengender ist als das übernehmen fremder Argumente und Maßstäbe.

  2. An der inhaltlichen Kritik der Bankdaten-Überwachung wird seit Jahren gearbeitet, siehe z.B. hier zuletzt meine Analyse des Entwurfs vom Herbst. Außer der Weitergabe an Drittstaaten (jetzt nur „Spuren“ statt Rohdaten) hat sich seitdem substanziell nichts geändert.

    Kommission und Rat greifen einfach zu komischen Methoden, u.a weil sie Panik bekommen. Aktuell z.B. hier nachzulesen. Das ist durchaus eine Nachricht wert.

    Die „Maßstäbe des Gegners“ werden übrigens nicht deutlich in deinem Beitrag. Ich sehe da keine Parallele.

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