7 Millionen Piraten

Fefe ärgert sich über die unlautere „Content-Mafia“. Die hat seiner Meinung nach „[Zahlenangaben] erstunken und erlogen“. Und zwar hätten die „in England“ aus 136 Filesharern 7.000.000 gemacht.

Im Mai diesen Jahres titelten diverse Medien im Vereinigten Königreich, 7 Millionen Menschen würden „illegal herunterladen“ (BBC: „Seven million ‚use illegal files‘“, Telegraph: „Illegal downloads used by seven million in Britain“). Das regierungs- und wirtschaftsnahe Strategic Advisory Board for Intellectual Property Policy hatte diese Zahl in einem Bericht vorgestellt. Hervorgehoben wurden weiter die angeblich katastrophalen Auswirkungen auf die Wirtschaft und der Umstand, dass “[Music downloading had] become part and parcel of the social fabric of our society despite its illegal status” („Das Herunterladen von Musik ist trotz seiner Illegalität ein wesentliches Teil des sozialen Gefüges unserer Gesellschaft geworden“). Während einer Messung fanden die Wissenschaftler 1,3 Millionen (britische) Nutzer in einem Filesharing-Netzwerk. Als Problem bezeichnet wurde auch der Umstand, dass so viele Werke im Internet tatsächlich kostenlos oder sogar frei sind, und damit viele Menschen nicht erkennen könnten, ob es sich um legale Inhalte handelt. Ohne moralisch verbrämten Begleittext sollte diese Studie eigentlich ein Glücksfall für Sympathisanten der Piraten-Idee sein, macht er doch deutlich, wie weit die Ablehnung veralteter Verwertungskonzepte verbreitet ist.

Gut drei Monate später beschäftigen sich die selben Medien schließlich mit den Hintergründen ihrer Berichte (PCPro: „How UK Government spun 136 people into 7m illegal file sharers“, p2pnet: „7 million Brits are file sharing criminals !?“). Als erstes fällt auf, dass zumindest die 7 Millionen nicht aus der Studie stammen, auf der sich der SABIP-Bericht eigentlich stützt, sondern aus einer älteren, die direkt für die britische Lobbyorganisation British Phonographic Industry angefertigt wurde. Mittlerweile sind die Zahlen der lediglich von der Regierung finanzierten Nichtregierungsorganisation SABIP jedoch in der Presse zu ”British Government‘s official figures“ geworden, so dass ein handfester Skandal aufgebaut werden kann.

Wesentlicher Bestandteil des Skandals ist der Umstand, dass die Studie gar nicht wirklich 7 Millionen Verbrecher ausfindig machte, sondern nur 136. Diese 136 ist die Anzahl an Haushalten (unter nur 1176 Befragten), die bereitwillig zugaben, illegal Musik getauscht zu haben. Üblicherweise wird eine Umfrage mit einer Probengröße von 1176 Elementen als repräsentativ und verwertbar angesehen; für Studien der Musikwirtschaft gilt dies aber offensichtlich nicht. Als Bonus wurde von der nachvollziehbaren These ausgegangen, nicht alle würden am Telefon bereitwillig einen Gesetzesbruch zugeben, und die Werte wurden etwas erhöht. Warum gerade von 11.6% auf 16.3% bleibt fraglich, scheint aber, wenn auch methodisch äußerst unsauber so doch inhaltlich plausibel. Wie aus diesem Anteil schließlich die 7 Millionen entstanden sind ist mir recht schleierhaft, die Anzahl an Haushalten mit Breitbandinternet scheint wohl eine Rolle zu spielen. Jedenfalls operieren die jetzt kritischen Medien ausgehend von den unverfälschten Daten mit einem Wert von 3,9 Millionen Musiktauschern.

Weder die Verflechtung von Wirtschaft und Politik, noch die Methodik der Studie oder die Leichtgläubigkeit der Medien stellt eine Besonderheit dar. Gerade Fefe sollte das wissen. Insbesondere der Punkt den Fefe heraushebt, nämlich das statistische Hochrechnen, ist nicht nur gängige, sondern bekannte und akzeptierte Praxis – so funktionieren repräsentative Umfragen. Das Ergebnis der Studie ist – so seltsam es auch zustande gekommen sein mag – politisch neutral, eine höhere Dichte an Kriminalisierten würde der Sache der Piratenparteien sogar zugute kommen. Meinungsverschiedenheiten mit der Lobby entstehen bei Analyse und Bewertung, und diese ist ohnehin weitgehend unabhängig von den Daten – auf beiden Seiten.

2 Antworten auf „7 Millionen Piraten“

  1. Eine Probengröße von 1000 Personen auf einige Dutzend Millionen hochzurechnen bezeichne ich in jedem Szenario als problematisch.

    Auch die Annahme, die tatsächliche Zahl würde von der zugegebenen Zahl abweichen, mag ja vertretbar sein, ein Anheben um 40% (!) erscheint mir aber ausgesprochen willkürlich. Will man derartige Erwägungen miteinbeziehen, muss man sehr vorsichtig an die Zahlen herangehen. 40% erscheinen mir ein Mondwert zu sein. Und wenn ich mich frage, wie der zustande kommt, kann ich nicht mehr von einem neutralen Standpunkt der Studienersteller ausgehen.

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