re:publica 2009 Tag 2 und 3

Heute ging die dritte re:publica mit ihrem dritten Tag zuende. Nachdem mich der erste Tag eher enttäuschte setzte ich Hoffnungen vor allem in die kleineren Vorträge in der Kalkscheune.

Der zweite Tag begann für mich mit Peter Glasers Vortrag „Internet und Ethik“ – unterhaltsam, aber inhaltlich ist bei mir nichts hängengeblieben. Danach folgte „Digitale Identität“ von Tina Günther und Christiane Link mit interessanten Gedanken zu Identitätsmodellierung und -management, Vermischung von professioneller und privater Identität.

Mit „Feministische Netzkultur“ erwartete ich nun den interessantesten Vortrag des Tages. Katrin Rönicke und zwei andere Autorinnen von Mädchenmannschaft sprachen über – wie das Thema schon andeutet – feministische Blogs wie feministing.com, Mädchenblog und eben Mädchenmannschaft selbst. Abgesehen von der Feministing-Community scheinen andere Bereiche des Web 2.0 wenig feministisch genutzt zu werden. Eine ähnliche Community ist auch um Mädchenmannschaft herum geplant, mal sehen was da wird. Weiter ging es um negative Kommentare und Beleidigungen im feministischen Blogbetrieb – ein Problem, das es in anderen Blogs meiner Meinung nach genauso gibt. Gerade Grundsatzfragen scheinen häufig in Kommentaren aufzutauchen; der Mädchenblog hat bsw. für das Thema „Abtreibungen“ eine eigene Seite angelegt auf die in einem solchen Fall verwiesen wird. Das halte ich für einen sehr sinnvollen Ansatz, der bei Mädchenmannschaft leider nicht genutzt wird.

Es folgte mit Lawrence Lessig der erste der importierten, hochkarätigen Redner. Der Jurist Lessig ist Initiator von Creative Commons, und – ebenso wie die anderen US-Amerikaner, aber anders als die meisten Deutschen – ein sehr guter Redner. Selbst wenn ich seine Aussagen nicht radikal genug fand und Creative Commons nicht besonders schätze war der Vortrag sehr überzeugend und von ganz anderer Qualität als die meisten anderen. Ebenfalls sehr überzeugend war monochrom in Person von Johannes Grenzfurthner.

Hochkarätig ging es auch am nächsten und letzten Tag weiter. Esra’a Al Shafei berichtete über politischen Aktivismus im Nahen Osten. Dabei spannte sie den Bogen von Free Kareem, einer Solidaritätsaktion für einen inhaftierten Islam-kritischen Blogger aus Ägypten, über die Unterstützung von Minderheiten wie den Kurden in Irak, Iran, Syrien und der Türkei bis zu den in den meisten islamischen Ländern verfolgten Bahai. Auch Frauen sind als Opfer häuslicher Gewalt oder alleinstehende Mütter ein wichtiges Thema der Szene, die sich unter anderem um das Portal Mideast Youth entwickelt hat. Sehr interessant fand ich den Aspekt, dass es vielen Bürgern arabischer Staaten verboten ist, Kontakt mit Israelis zu haben; dieser kann daher deutlich leichter im Internet hergestellt werden.

Direkt auf den beeindruckenden Vortrag folgte eine Podiumsdiskussion mit Mary C. Joyce, Esra’a Al Shafei und Mercedes Bunz. Interessant fand ich Esra’as Bemerkung über die unterschiedlichen Themen des virtuellen Aktivismus im Westen und Nahen Osten. Sie sprach von einem Kulturschock als sie feststellte, dass sich im Westen über Klimawandel und andere Themen unterhalten wird, während es bei politischem Aktivismus im Nahen Osten direkt um Leben und grundlegende Freiheiten geht.

Mit Jimbo Wales und Cory Doctorow folgten zwei weitere sehr bekannte und noch bessere Redner. Vor allem Cory konnte ohne Präsentation sehr überzeugen, wenn auch vor recht kleinem Publikum. Jimbo stellte Wikipedia, Wikimedia und Wikia vor – alles keine Neuigkeiten für mich, aber doch nett. Der Science-Fiction-Autor Cory sprach über Urheberrechte und neue Geschäftsmodelle.

Wenn Frauen bloggen: Warum Babykotze genauso relevant ist wie das iPhone“ – was habe ich mich über diesen Titel geärgert. Als wären bloggende Frauen eine Anomalie, eine Besonderheit. Als würden Frauen nur über Babykotze bloggen. Als wäre Babykotze irgendetwas Frauenspezifisches. Als würde es so etwas wie Relevanz bei Blogs geben. Als wäre die iPhone-Dichte bei den anwesenden Frauen nicht genau so hoch wie bei den Männern. Geärgert. Vermutlich gerade deshalb war ich um 15 Uhr im Kleinen Saal der Kalkscheune – übrigens laut Markus Beckedahl selbstgewählt, er hatte für die Veranstaltung den Großen Saal angeboten –, um mir das was ich später als „Bloggerinnen-Zoo“ bezeichnen würde, anzugucken. Vor mir saßen fünf bloggende Frauen; zwei führten eher private, aber anscheinend sehr bekannte „Tagebuch-Blogs“, eine war beim Mädchenblog aktiv, eine Mitarbeiterin in einem hauptsächlich auf Mode spezialisierten Blog und die letzte bloggte – genau – über iPhones und andere Apple-Produkte. Diese gemischte Runde unterhielt sich also über das Bloggen über „Frauenthemen“ (Selbstverständlich wurde der feministischen Pflicht bewusst dieses Wort nur in Anführungszeichen gesprochen) und „Frauenneurosen“. Weder das Podium noch das Publikum hatten eine klare Vorstellung davon, worum es in der Runde gehen sollte – die Themen, über die die Anwesenden bloggen? Bloggen als Frau? Die Diskussion verkam zu einem recht oberflächlichen Austausch verschiedener Standpunkte zu Feminismus.

32 von 47 Rednern und Rednerinnen, die ich auf der re:publica sah, waren männlich. Von den 15 Frauen waren 8 explizit als Frauen anwesend, und nur nachrangig aufgrund ihrer Tätigkeit. Dabei gibt es durchaus tolle deutsche Bloggerinnen, die auch eine große Bedeutung und Leserzahl haben – die 5 Bloggerinnen von der „Wenn-Frauen-Bloggen“-Diskussion sind hervorragende Beispiele. Dennoch unterhielten sich am Mittwoch 5 Männer im Friedrichstadtpalast über die deutsche Bloggerszene. Warum? Ein erstes Problem wird dadurch verdeutlicht, dass keine der Frauen aus dem Kleinen Saal dazu bereit gewesen wäre, an der großen Diskussion teilzunehmen. Bescheidenheit, Schüchternheit, mangelndes Interesse – ich weiß nicht, was der Grund dafür ist. Jedenfalls wollte von den 5 Frauen, die sich als repräsentativ für die weibliche Bloggerszene sahen, keine die deutschen Blogger allgemein vertreten. Das ist insbesondere schade, da sie so die Gelegenheit, Vorbilder gerade auch für Frauen darzustellen, verpasst haben. Weibliche Vorbilder, wie sie kürzlich erst am Ada Lovelace Day von über tausend Bloggern präsentiert und für nötig befunden wurden.

Insbesondere der dritte Tag hat mich etwas mit der re:publica versöhnt. Hauptsächlich dafür verantwortlich waren allerdings die importierten Redner und Rednerin, die inhaltlich wie auch formal die Deutschen deklassierten. Und das, obwohl sie bsw. mit ausschließlich deutschsprachiger Zwischen- und Fragerundenmoderation konfrontiert wurden. Auch beim Zeitplan glänzte die Konferenz mit Unprofessionalität – schon der zweite Vortrag am Freitag begann eine halbe Stunde zu spät. Zusammen mit der Technik bleibt noch einiges nachzubessern für die Organisatoren.

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