Dein Nachbar, Thor Steinar

Das Geschäft „Tromsø“

Das Geschäft „Tromsø“ in der Petersburger Straße in Friedrichshain

Am Samstag, dem 28. Februar wurde in Berlin-Friedrichshain in der Petersburger Straße das Geschäft „Tromsø“ eröffnet. Der zwischen Frankfurter Tor und Bersarinplatz gelegene Laden verkauft Kleidung der Marke Thor Steinar, die der rechtsextremen Szene zugeordnet wird. Nach einer antifaschistischen Demonstration am Tag der Eröffnung wurde für diesen Samstag zu einer weiteren Demo mobilisiert. Im Laufe der letzten Woche hatte „Tromsø“ bereits mit eingeworfenen Fensterscheiben, picknickenden Punks sowie Flugblatt- und Transparentaktionen zu kämpfen.

Die Demo

Demonstrationszug

Der Demonstrationszug gegen „Tromsø“

Die Demonstration am 7. März begann um 14 Uhr am S-Bahnhof Warschauer Straße. Die Polizei spricht von 750 Teilnehmern, ich würde von deutlich über 1000 ausgehen. Die Beteiligung war damit erfreulich hoch, insgesamt war die Demo aber eher kraftlos und leise.

Vom S-Bahnhof führte die kurze Demonstrationsstrecke auf direktem Weg die Warschauer Straße hinauf bis zum Laden, der von einem massiven Polizeiaufgebot mit Hamburger Gittern geschützt wurde. An der Kreuzung Grünberger Straße / Warschauer Straße fand eine Zwischenkundgebung statt. Mit Ankunft vor dem Laden erlahmte die Demo vollends, die Abschlussreden waren wegen des sehr leisen Lautis kaum zu hören. Nach Auflösung der Veranstaltung gab es noch stundenlange Schubsereien mit der rabiat räumenden Polizei und einige Festnahmen.

Thor Steinar

„Tromsø“ mit Polizeiabsperrung und Transparenten

„Tromsø“ mit Polizeiabsperrung und Protest-Transparenten

Seit der Gründung im Jahr 2002 hat sich „Thor Steinar“ zu einer der bekanntesten rechtsextremen Kleidungsmarken entwickelt. Unter dem Namen werden überwiegend teure Designerprodukte mit deutlichen Bezügen zu Kolonialzeit, Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus und einer behaupteten nordisch-germanischen Mythologie verkauft. Bis 2004 wurden als Logo Runen verwendet, die als Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aus dem Dritten Reich galten. In einigen Fußballstadien ist das Tragen von Thor-Steinar-Kleidung verboten, ebenso wie in der Berliner Polizei. Die Geschäfte in Nürnberg und Hamburg mussten kurze Zeit nach der Eröffnung wieder schließen.

In Berlin hatte Thor Steinar bisher Schwierigkeiten, eine langfristige Verkaufsfläche zu finden. Der Räumungsklage gegen den ersten Berliner Thor-Steinar-Laden „Tønsberg“ in der Rosa-Luxemburg-Straße 18 wurde im Oktober 2008 stattgegeben. Die Rosa-Luxemburg-Straße 18 war bereits der zweite Standort nachdem dem Laden am Alexanderplatz im Jahr zuvor gekündigt wurde. Trotz Kündigung und Gerichtsbeschluss ist „Tønsberg“ wegen eingelegter Rechtsmittel noch geöffnet. Damit bleibt nur noch das Geschäft „Doorbreaker“ (Nicht zu der Ladenkette gehörend, die bsw. im Alexa und den Borsigwerken Filialen führt) im Ringcenter 2 am S-Bahnhof Frankfurter Allee. Das Ringcenter liegt auf der Grenze zwischen Lichtenberg und Friedrichshain und ist zwei U-Bahn-Stationen vom Frankfurter Tor entfernt. Auch gegen „Doorbreaker“ finden seit längerem Proteste statt, im November 2008 gab es im Zusammenhang mit dem Gerichtsbeschluss zu „Tønsberg“ eine öffentliche Diskussion zu „Doorbreaker“; eine Räumungsklage läuft.

Was der Protest erreichen kann

Protest gegen Thor-Steinar-Ladengeschäfte muss sich immer die Frage gefallen lassen, welche Ziele überhaupt mit Demonstrationen oder Farbbeutelwürfen erreicht werden können; die Kraft- und Ziellosigkeit der Demonstration vom Samstag lässt weiter an den Protesten zweifeln. Es sollte klar sein, dass über diese Proteste keine inhaltliche politische Auseinandersetzung stattfinden kann; es wird vermutlich niemand dadurch weniger Nazi, dass er im Internet bestellen muss. Das bestmögliche Ergebnis ist also, dass der Laden schließen muss. Oft genug ist selbst ein „Ladenschluss“ zwiespältig zu bewerten: In Hamburg hat der Ladenbetreiber wahrscheinlich eine großzügige Abfindung erhalten. Andere Läden wie das Berliner „Tønsberg“ haben nach der Kündigung an anderer Stelle neu eröffnet oder kämpfen sich jetzt durch die Gerichtsinstanzen. Ein Erfolg einer Räumungsklage ist dabei selten garantiert, insbesondere wenn der Ladenbetreiber nachweisen kann, dass er den Vermieter über die Ware informiert hat. Welche Ziele kann der Protest also verfolgen?

Das besetzte Haus Rigaer Straße/Liebigstraße

Das besetzte Haus Rigaer Straße/Liebigstraße

Eine Besonderheit an „Tromsø“ ist die Lage mitten im als alternativ bekannten Friedrichshain. Im direkten Umfeld liegen alternative Wohnprojekte und besetzte Häuser, die von einer etablierten Naziszene in ihrer Nähe bedroht wären. Im Nachbargebäude haben der „Verband für interkulturelle Arbeit“ und das afrikanische Samariterwerk ihr Büro. Weitere Mieter sind eine afrikanisch-ökumenische Kirche und ein chilenischer Kulturverein.

Aufschlussreich war auch die auf der Demonstration vorgelesene Begründung des Vermieters, er habe noch nie etwas von der Marke und ihrem rechtsextremen Hintergrund gehört. Das ist ein Punkt an dem Proteste ansetzen können: Wenn Thor-Steinar-Verkäufer keine oder nur teure Mietverträge kriegen und auch die Versicherungskosten steigen, kann immerhin mehr als nur ein Umzug mit Abfindung erreicht werden. Trotz der verhältnismäßig offen rechtsextremen Inhalte wird Thor Steinar auch in unpolitischen Teilen der Black- und Pagan-Metal-Szene getragen. Auch dort scheint nicht genug Information und Diskussion über Thor Steinar stattzufinden.

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3 Antworten auf „Dein Nachbar, Thor Steinar“

  1. ist bin ja etwas reifer, aber was in dieser republik abgeht, ist nicht mehr zu verstehen. wir hatten doch schon einmal eine zeit, wo bestimmte geschäfte diffamiert wurden, meiner meinung nach hat sich nur das jahr geändert. auch maschinenstürmer gab es schon einmal, die durch ihr handeln sich selbst die lebensgrundlage entzogen haben. was beeinträchtigt die lebensqualität der chaoten, die mit farbbeuteln werfen und demonstrieren sicher nicht der thor steinar-laden. aber die s.g. demokratie läßt ja jeden irrwitz zu. wenn ich sehe, wie die s.g. alternativen „hausen“ und sich „benehmen“ schwillt mir jedesmal der kamm. wie kann der staat sich von jedem furz und feuerstein so beherrschen lassen. da werden unmengen von polizisten aktiviert. auch finde ich es nur für propagandazwecke, von den nebenan agierenden vereinen das wenn und wehe dieses ladens abhängig zu machen. mir selbst passiert – pinkelte ein afrikaner mitten auf die straße vor dem s.g. „verein“ ich sprach in darauf hin an und verbat mir diese handlung – darauf er – halt die schnauze du faschist – muß ich mir das gefallen lassen von einem, der bestimmt auf grund seines alters und der herkunft nicht weiß, was das wirklich ist – aber wir sind ja so demokratisch.

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